Das Lächeln meiner Katze
Die Kindheit prägt den Menschen, und ich erinnere mich daran, dass
sich meine Kindheitserinnerung an Tiere auf zwei
Kaninchenställe hinter unserem Haus beschränken, deren
Bewohner ständig wechselten. Sie wechselten aus Gründen die
sich der geneigte Leser sicherlich denken kann und auf die ich hier
nicht näher eingehen möchte. Kurzum: Eine Begegnung,
geschweige denn Beziehung zwischen mir und einem Tier hatte -
außer auf dem Teller in Bratensoße schwimmend- nie
stattgefunden . Bis zu
jenem Tag vor 3 Jahren, als meine damals
7 jährige Tochter den Wunsch äußerte einen Hund zu
besitzen. Na, das hätte mir gerade noch gefehlt! Ein
hilfesuchendes Flehen meiner Augen zu meiner Ehefrau war erfolglos,
denn ihr entgegnender Blick sprach Bände: " Du wirst doch deiner
Tochter nicht die wichtige Bindung zu einem Haustier verwehren!"
-Nein, natürlich nicht! Wer will schon als Rabenvater dastehen?!
Aber ein Hund? Hm, Wie sag´ ich es meinem Kinde? ...
Der Familienrat fand dann eine salomonische Entscheidung: Haustier ja,
aber kein Hund, sondern eine Katze! Auf diesen Kompromiss hatte ich
mich eingelassen, weil Katzen - so meine Annahme -
Einzelgängerinnen sind, am Familienleben keinen Anteil nehmen und
aus diesem Grunde für die selbige ohne Einschränkungen
des Tagesablaufs sind. So jedenfalls dachte ich.
Als wir unser schwarzweiß getupftes, gerade mal 6 Wochen altes
Waisenkätzchen aufnahmen, begann für mich eine Erfahrung, die
ich für nichts in der Welt missen möchte. Man musste sich in
dieses Tier einfach verlieben, wenn ihre Äuglein uns voller
Vertrauen anblickten! Gerade weil unsere Sminny so scheu, ja
ängstlich war, wurde sie ohne viel Nachdenken zum Mittelpunkt der
Familie. Sie sollte sich wohl fühlen und wir alle halfen mit: Auch
ich, oder vor allem ich. Dass wir dabei über das Ziel der
Einbindung in die Familie hinaus schossen, sollte man unserer fehlenden
Erfahrung im Umgang mit Haustieren zugute halten. Wir
verwöhnten
unsere Katze gnadenlos: Alle Türen im Hause stehen immer einen
Spalt offen, so dass sie sich frei bewegen kann. Und ist das mal nicht
der Fall, dann schaut uns Sminny strafend an und wir beeilen uns den
Fauxpas zu beheben. Nicht dass sie dieses verschlossene Zimmer
unbedingt betreten will. Mitnichten! Unsere Katze hat halt Prinzipien
und eine ihrer Prinzipien ist es nun mal, dass sie jederzeit
einen Raum betreten könnte. Haben wir die Türklinke nach
unten bewegt, so dass sie die Zimmertür mit einem Pfotendruck
aufschieben könnte, dann erlischt in diesem Moment ihr Interesse
an diesem Raum. Tuen wir ihr aber nicht den Gefallen, dann ist sie
zutiefst beleidigt und ignoriert uns gnadenlos. Ebenso gnadenlos
kann sie sein, wenn wir die Stirn haben das Haus für mehere
Stunden zu verlassen. So etwas nimmt sie uns übel und es bedarf
schon einiger Tricks, zum Beispiel reichlich ihr Lieblingsfutter im
Napf bereit zu stellen, um sie wieder zu besänftigen. Letztendlich
ist jeder käuflich, auch die prinzipientreuste Katze.
Aber Sminny hat nicht nur Prinzipien, sie ist auch sehr
leidenschaftlich. Eine ihrer großen Leidenschaften ist die
Neugier! Es gibt im ganzen Haus noch nicht eine Schublade, die sie
nicht schon erforscht hätte Ihre besondere Vorliebe gilt
dabei
unseren Wäscheschubladen, besonders mag sie es in frischen
zusammengelegten Pullis zu wühlen wie eine
preisbewußte Hausfrau im Winterschlußverkauf der
Ramschabteilung. Aber auch wollene Strümpfe, in allen
Größen und Farben, haben es ihr angetan.
Gott sei Dank geht unsere Königin auf Samtpfoten bei allem
Forscherdrang sehr vorsichtig und pfleglich mit den bereitgestellten
Objekten der Untersuchung vor. Sei es die Balance über ein mit
Blumenvasen zu gestelltes Fensterbrett, eine Klettertour im
Bücherregal oder andere halsbrecherische sportliche
Aktivitäten: Noch niemals hat unsere Katze Scherben oder
Aufmerksamkein durch Gepolter herunterfallender Gegenstände
hinterlassen.
Eine vorbildliche Stubentigerin!
Am schönsten ist es für uns, wenn sie eingerollt auf ihrem
Lieblingsplatz döst, während der Rest der Familie fernsieht
oder anderweitig gesellig beisammen sitzt. Diese
Gemütlickeit braucht sie einfach. Und wir
benötigen unbedingt ihre Anwesenheit, damit es überhaupt
gemütlich wird. Ist sie mal draußen unterwegs - als
Jäger- oder Sammlerin - dann fehlt etwas. Und betritt sie dann
das Haus und schreitet durch das Wohnzimmer, dann richtet sich alle
Aufmerksamkeit auf sie. Oft aber hat die Monarchin in solchen Momenten
gar keine Zeit ihre Dienerschaft angemessen zu begrüßen.
Dann schreitet sie einher, mit wichtiger Miene und aufgerichtetem
Schwanz, sucht ihren Freßnapf auf um mißtrauisch zu
kontrollieren, ob sich die Menge des Futters während ihrer
Abwesenheit nicht verringert hat, dann dreht sie sich um, und
verabschiedet sich wieder mit einem erablassenden miau. Und sollte die
Terrassentür ins Schloss gefallen sein und sie kratzenderweise um
Ein- oder Auslaß fordert, dann sind wir stolz ihr diese zu
öffnen, damit sie - ohne einen einzigen Dankesblick für den
Portier zu opfern - majestätsich und hochnäsig ihre
Geschäftigkeit fortsetzt.
Ja, unser Katze ist tatsächlich ein Segen. Und es macht mir
überhaupt nichts aus, dass meine Annahme Katzen würden ein
Familienleben nicht beeinflussen ad absurdum geführt wurde. Im
Gegenteil, ich kann mir ein Leben ohne dieses Geschöpf nicht mehr
vorstellen. Doch manchmal erwische ich mich dabei, dass ich es
irgendwie bedauere, dass ihre Körpersprache so viel weniger
ausgeprägt ist wie die eines Hundes. Ein Hund bellt, er
wedelt mit dem Schwanz, er knurrt. Auch ungeübte
Tierbegleiter wissen was der Hund fühlt und was er denkt. Aber die
Katze?
" Ach Sminny", redete ich sie in der ersten Zeit an, " wenn ich mich
nur mit dir unterhalten könnte ..."
Doch dann fiel mir auf, dass sie gerade in solchen sentimentalen
Momenten überrschend oft vor mir sitzt, mit geradem Rückgrat,
uns aufmerksam anblickt und die Augen zusammenkneift.
Und so besorgte ich mir ein Buch über Katzen um endlich zu
erfahren
wann und wie diese Einzelkämpferin Kontakt zum Menschen
aufnimmt und was in aller Welt diese zusammenkneifen der Auge zu
bedeuten hat. Ich brauchte nicht lange zu lesen und wuchs um einige
Zentimeter vor Stolz: Ich las nämlich das Katzen lächeln wenn
sie blinzeln. Das Lächeln meiner Katze! Und seit dieser Erkenntnis
lächele ich zurück, wann immer es geht. Natürlich in der
Katzensprache, schließlich ist sie ja die Chefin.
written by Gerd Mersdorf