9. Der Wald des Vergessens
Durch jenen Wald ging Falken,
mühsam den gespenstigen Unholden entronnen, als er ein leises,
zartes Rufen vernahm. Er ging der Stimme nach, folgte dem Klang. Sein
Pfad endete. Er ging weiter zwischen den Bäumen hindurch bis er
vor einer goldenen Pforte stand. Die Stimme forderte ihn auf jenes
Hindernis zu durchbrechen. Aber wie sollte er dies tun? Seine
menschlichen Kräfte waren nicht ausreichend, erkannte er. Er
stieß mit der Schulter gegen jene Tür, schlug auf sie ein,
suchte eine Öffnung, fand aber keine. Noch ganz in Gedanken
versunken vernahm er einen schrecklichen Lärm und als er sich
umwandte, erkannte er einen Drachen, dessen Anblick ihn in Angst und
Schrecken versetzte. Riesig war der Drache, seinen Leib bedeckten rot
und schwarz gemusterte Schuppen in bedrohlichen Zeichen. Ein Schwarzes
Horn wuchs auf seiner Stirne und seine weißen Augen fixierten
Falken drohend. Giftiger Odem entwich seinen Nüstern, so dass die
Bäume der Umgebung verdorrten. Plötzlich hob der Drachen
seinen Kopf, schrie gen Himmel und als Kopf sich wieder senkte,
schoß ein Meer von Flammen auf Falken zu. Der junge Mann sprang
zur Seite. Sein Haar war von der Hitze versengt, seine Lungen
schmwerzten. Da ward er in die Luft gehoben. Er erkannte das Blau des
Himmels, schoß auf es zu, verlor seine Gedanken, gefangen in
einem Taumel. Alsbald kehrten seine Gedanken wieder. Falken war
jenseits des Waldes des Vergessens, hatte den Wald weit hinter sich gelassen. Er lag im
Schatten eines Baumes, hörte das Rauschen von Wasser, gewahrte die
nahe Kühle. Von Durst getrieben wandte er sich um, um seine
durstige Kehle mit dem kühlen Naß zu netzen, als er im
klaren Wasser ein Spiegelbild sah. Es handelte sich dabei um ein
weibliches Wesen. Lange, graue Haare, berührten den Boden, ihren
Körper hüllte ein blaues Gewand ein. Obwohl die Sonne schien,
vermochte er außer Blau und Grau keine anderen Farben zu
erkennen. Erstaunt blickte Falken sich um. Er war fasziniert von dem
Einklang, der Harmonie und der Schönheit der Farben. Sie bewegte
sich. Sie ging nicht, sie schwebte. Voller Anmut und Eleganz war ihre
Gestik und Mimik, während ihr Haar in dauernder Bewegung war. Es
schien als würde der Wind es fortwährend streifen, obwohl es
windstill war. Plötzlich wurde er der Stimme der Frau gewahr.
Gefolgt war er dem Flüstern des Windes in einem Wald, der keinen
Wind in sich erlaubte. Stille war in ihm gewesen, kein Vogelsang, kein
Rauschen der Bäume. Es war die Stimme des Windes, die sie
besaß und ihre Worte klangen in seinen Ohren, erzählten von
einer Mauer aus Gold, die durch die Hitze des Feuers geschmolzen war,
wie sie ihn getragen hatte, verfolgt von dem Drachen, hoch in den
Himmel, von der Freude, der Freiheit, im Sein, am Licht, entkommen der
Gefangenschaft. Sie erzählte von ihrem Dasein, vom Wirken der
Windsbraut, von dem Leben ohne Mauern, ohne Grenzen und
Einschränkungen, bis auf den Wald von Vergessens. Falken
berichtete ihr von seiner Suche, von der Bibliothek von Trueland, vom
Erkennen, vom Wissen. Auch er wolle frei sein, frei von den Schranken
des menschlichen Verstandes. Das Gespräch tat ihm so wohl. Lange
unterhielten sie sich. Die Windsbraut gab ihm den Rat zu dem Land zu
reisen, in dem die Elfe Fanfar wohne. Sie könne ihm den Weg weiter
erklären. Selbst kenne sie, die Windsbraut, den Weg zur Bibliothek
nicht. Doch auf jener gefahrvollen Reise käme er vorbei am Land
der Eiselfen. Jene Wesen verfügten über das Wissen in " das
Verlieben" , um dann Sterbliche einfrieren zu können, auf das sie
sie ewig besitzen könnten. Kalt seien ihre Herzen und
jenseits der wahren und erkennenden Liebe. So erfuhr Falken seinen
weiteren Weg, dann schwang sich die Windsbraut in die Luft und zog
hinein in ihre wiedergefundene Freiheit. Unser Held sezte seinen Weg
ebenfalls weiter fort. Er folgte dem großen Fluß, an
dessen Ufer er gelegen hatte, folgte seinen Weiden und Sträuchern,
seinen Windungen, Beeren und Pilze waren seine Nahrung. Manchmal fand
er Unterschlupf bei Menschen, die in der Nähe des Flussses
wohnten. Einige machten ihm Mut seine Reise fortzusetzen, während
andere wiederum ihn aufzuhalten versuchten. In vielen Augen seiner
Zuhörer aber sah er bei seinen Erzählungen ein Aufblitzen,
den Wunsch nach Erkenntnis, ein Aufleben ihrer einstigen Wünsche
und Ziele, die im Wald des Vergessens verloren gegangen waren. Der
Fluß mündete ins Meer. Muscheln lagen am Strand, heller Sand
reflektierte die Strahlen der Sonne um ein Vielfaches. Gleißend
und von silbrigen Balu war das Meer. Möwen kreisten in der Luft
und klagend hörten sich ihre Rufe an, während Wellen
rauschten. In der ferne sah Falken eine Insel, die schien aus Eis.
Keine Wellen bewegten sich dort, es schien als ruhe die Natur in aller
Ewigkeit. Am Strand lag ein Boot. Falken berührte das von der
Sonne gewärmte Holz, roch den frischen, salzigen Geruch des
Meeres. Er stieg ein. Da bewegte sich das Boot., glitt mit ihm
ins Wasser und von unsichtbarer Ströhmung geführt trieb es zu
jener Insel. So sehr sich Falken auch dagegen wehrte, nichts vermochte
die Richtung des Bootes zu ändern. Da stieß er auf Eis.
zur
Fortsetzung