Thorben schmerzten alle Glieder. Es war
ihm als wäre sein Körper eine einzige Wunde. Hinzu kam, das
er seit Tagen nichts gegessen hatte. Der Prinz der Turanen hatte
eilig das Reich seines Vaters verlassen. Nachdem Brittla in seinen
Armen gestorben war, hatte er seine wenigen Habseligkeiten
zusammengepackt. Thorben hatte sonst nichts mitgenommen, kein Geld,
nichts
zu essen und nichts zu trinken. Sein Vater hatte ihm das Leben
geschenkt, damit hatte er genug für ihn getan. Was für ein
Leben! Jeden Morgen war der Prinz der Turanen mit Angst
aufgewacht. Einzig seine
über alles geliebte Brittla, seine Ziehmutter, war sein Licht in
der Burg gewesen. Doch Brittla war nun tot. Mit Brittla war auch ein
Teil von Thorben gegangen. Er hätte warten können bis sein
Vater
ihn umbringen würde, ihn den mißgestalteten Krüppel,
mit dem Hinkebein und dem schiefen Mund. Der Prinz war nicht gefragt
worden ob
er in diese Welt geboren werden wollte und Thorben hatte nicht
darum gebeten diesen Vater zu bekommen. Sein Ende wollte der Prinz der
Turanen wenigstens selber bestimmen. Kein Anderer- kein Vater, keine
Dramms. Nur er- der Prinz.
So hatte der Knabe die Burg und sein bisheriges Leben hinter sich
gelassen.
Doch zu sterben entpuppte sich als gar nicht so einfach. Thorben
haßte
sich für sein Weiterleben, haßte sich in den Momenten der
Schwäche wenn sein Mund gierig Wasser gegen den Durst trank und
seine Hände sich zitternd um Nahrung schlossen. Der Knabe aß
sogar Rinde und Gras, um die Qual in seinem Magen zu beenden.
Trotzdem war er schon sehr weit gekommen- zu weit.
Wie Prinz
Thorben die
Sümpfe von Glittor hinter sich gelassen hatte war ihm ein
Rätsel. Der Knabe war nachts durch die Sümpfe gegangen, in
der Hoffnung in der Dunkelheit zu versinken. Doch er war nicht in
dem Morast untergegangen. Schon tags nicht in den Sümpfen zu
sterben war ein Wunder. Thorben hatte dies Wunder sogar des Nachts
fertig
gebracht. Welch hartes Schicksal.
Die Hochebene von Garsung lagen nun vor ihm. Seine Schuhe hatten
sich schon vor langer Zeit aufgelöst. Thorben hinterließ
eine
Blutspur mit seinen wunden geschundenen Füßen. Eine leicht
zu
folgende Spur in den felsigen Landschaften die er betrat. In
dieser Ödenei gab es nur wenig zu essen und die Gars waren immer
hungrig. Er war schon zwei Tage gegangen als er von ihnen eingekreist
worden war. Zuerst hatte Thorben nur vermutet beobachtet zu werden.
Dann war es offensichtlich. Mit der Offensichtlichkeit, erkannte er die
Gefahr in der er schwebte. Als der Knabe instinktiv begann zu laufen,
war er schon
zu ihrem Spielball geworden. Die Gars wollten den Prinz der Turanen gar
nicht offen jagen, sie wollten ihn in eine Falle locken. Thorben
lief hinein. Er fiel in eine Höhle. Im Dunkel versuchte der
Prinz
einen Ausgang zu ertasten. Doch seine Finger konnten keinen Weg nach
draußen finden. Nun lag Thorben seit Tagen in dieser Höhle,
in der Dunkelheit, sein Körper schien eine einzige Wunde zu sein
und er ahnte dies war nicht das Ende. Es war kein Dramms zu sehen. Er
sollte anscheinend noch leiden.
Thorben wusste nicht ob es Nacht oder Tag war als er das Trippeln
vieler
kleiner Pfoten vernahm. Ängstlich kauerte sich der Knabe an die
Felswand,
versuchte mit seinen Fingernägeln einen Weg hinaus zu graben. Doch
schon wurde er angefallen. Hunderte kleiner Zähne bissen in seine
Haut, gruben sich in sein Fleisch. Thorben schrie. Es folgten Schmerzen
ohne Ende und im Schmerz schien sich eine Pforte zu öffnen.
Der Prinz der Turanen sah sich in den Steppen auf einem Pferd
reitend, frei,
ungebunden. Thorben lebte die Rieten und Gebräuche der
Steppenbewohner.
Oft sah er dort seine über alles geliebte Brittla. Sie stammte von
den wilden Steppenbewohnern ab.Von dort hatte sie der König als
Ziehmutter seines Sohnes entführt. Gegen Brittlas Willen. Weg von
ihrem eigenen Sohn. Sie lehrte ihn alles was er von ihnen wissen
mußte. Der Knabe lernte den wilden Tura, den hageren Jada kennen.
Beide erfahrene Krieger, die ihn ihr Handwerk lernten. Doch leider
waren seine Aufenthalte in der Scheinwelt der Freiheit nur
zu kurz. Immer wieder kehrte sein Geist in den Körper zurück,
zurück zu den Schmerzen und den Gars. Die Gars waren
ratenähnliche Aasfresser. Warum sie sich an Thorben schon lebend
labten, war ihm ein grausames Rätsel. Sie fraßen von seinen
Fleisch bis an die Knochen, selbst seine Knochen wurden von ihnen
nicht
verschont. Dann wieder ließen die Gars von ihrem hilflosen Opfer
ab, ließen Thorben sich erholen. Verweigerte der Knabe die
Nahrung
quälten sie ihn unermeßlich mit ihren kleinen Zähnen.
Vor Schmerzen wahnsinnig aß er wann sie es befahlen, was sie
befahlen oder er kroch wie ein wildes Tier auf allen vieren durch
seinen dunklen Kerker wenn sie es verlangten. Die Augen der Gars waren
von einem dunklen, leuchtenden, kalten Grün. Der Prinz
der Turanen war überzeugt das es in der Natur unter Gottes Himmel
sonst kein so kaltes Grün gab. So einem Grün war im bisher
nur bei
den Gars und in der Welt der Schmerzen begegnet. Immer wieder fielen
sie über ihn her, immer wieder fraßen sie von ihm. Dann war
es vorbei. Thorben wußte nicht wann, er wußte nicht
wie. Es war als hätte sich eine Tür in seiner Höhle
geöffnet und Licht drang in sein sonst so dunkles Gefängnis.
Thorben schwankte hinaus. Das Licht umflutete ihn und durch die
Helligkeit geblendet schleppte er ich über Felsen.
Dann wurde der Knabe ohnmächtig. Er erwachte. Ein Gars
saß
auf ihm. Angeekelt schubste Thorben es mit seiner Hand weg. Das Gars
ließ es mit sich geschehen. Neugierig nahm der Prinz der Turanen
es in die Hand.
" Ich könnte Dich zerdrücken Du ekelhaftes wiederliches
Vieh!" , fauchte er es an.
" Tu es Prinz Thorben Prinz der Turanen! Ich könnte Dich verstehen
und ich weiß um Deinen Schmerz und ich weiß das ich so oder
so sterben werde. Was wir taten, taten wir für Dich. Liebe hat
seltsame Formen. Wir liebten Dich mehr als uns. Ich bin der letzte
meiner Art, der letzte der sich von Dir genährt hat, der letzte
der Dich frei ließ."
"Warum? Warum habt ihr mir das angetan? War ich ein so leichtes Opfer?"
, schrie Thorben.
"Du warst unser schwerstes Opfer. Als wir Dich sahen verfielen wir in
Liebe zu Dir. Wir sahen noch nie jemanden mit so schönen Augen,
Prinz der Turanen. Aber die Dramms sagten uns voraus das Du kommen
würdest, daß Du unsere Hilfe brauchen würdest und das
Du unsere Heilkräfte brauchen würdest. Sie weissagten uns,
daß wir dabei sterben müssten, denn Gars fressen nur Fleisch
ohne Leben. Sieh her Prinz, ich sterbe. Dein Fleisch hat mich
vergiftet ich müsste bald totes Fleisch fressen, bin aber zu
schwach es mir zu suchen. Willst Du mich töten, so töte mich.
Erlöse mich von den Qualen, den Schmerzen.", ächzte das
ratenähnliche Tier.
" Warum sollten die Dramms mir sowas antun?" , fragte Thorben erstaunt.
" Ich bin nur ein Gars, eins der meistehassten Wesen im Königreich
der Turanen. Prinz Thorben was kümmern mich die Belange der
Menschen? ", antwortete das Gars.
" Du willst sterben Gars? , höhnte Thorben."Gut Gars! Ich wollte
es auch! Ihr habt mich am Leben gehalten. Ich hasse euch, du hast
recht. Doch ein Leben rettet ein Leben. Ich werde Dein Leben retten und
Dich damit an mich binden, so wie ihr mich an euch gebunden habt. Aber
wisse eins Gars. Ich bin eine harter
Herr und ihr ward weisgott gute Lehrmeister!"
Noch während der Knabe sprach nahm er eine Klaue des Tieres
und mit einem seiner messerscharfen Krallen schnitt sich der Prinz der
Turanen ein Stück seines Fleisches aus dem Schenkel. Als es abend
wurde gab er es dem Gars zu fressen.