Kassandra, die kleine Hexe


 In einem kleinem Waldstück, am Rande des Blocksberges, lebte Kassandra, die kleine Hexe mit ihrer Hexenmutter Cyssendra. Kassandra war noch sehr jung und am liebsten flog sie mit ihrem Besen durch die Lüfte und machte kleine, aber harmlose Streiche. So flog sie z.B. in das nahegelegene Städtchen zum Markt, wirbelte Blumen, Obst oder Gemüse durcheinander, oder ließ die Hüte der Männer durch die Luft wirbeln. Keiner der Einwohner war Kassandra böse, denn im Grunde ihres Herzens, war sie ein liebes Hexenkind.

Morgens jedoch, mußte die kleine Hexe zur Hexenschule, wir sind ja schließlich am Blocksberg, wo es viele kleine und große Hexen gab und vielleicht sogar noch gibt. Dort in der Schule, wie auch in jeder Schule im Land, war es immer sehr langweilig; es war nichts los dort und Kassandra lernte recht ungern.
Eine Musterhexe werde ich wohl nie werden, dachte sie morgendlich. Ihre Hexenlehrerin, Frl. Hexita war sehr streng und so stand Kassandra immer auf ihrer Liste ganz vorne, um an die Tafel zu gehen, um Formeln aufzusagen oder magische Dinge zu tun.

Ihre Hexenmitschüler- und mitschülerinnen waren fleißig und brav, und so war Kassandra eine Ausnahme die dauernd auffiel.

Eines morgens,  Kassandra träumte in der Schule vos sich hin und dachte sich neue Streiche aus, kam hoher Besuch in diese kleine Hexenschule, am Rande des Blocksberges.
Rege Aufregung herrschte und dann stand er vor der Hexenklasse; der höchste Professor der Magie.
Frl. Hexita ließ nervös ihren Stift kreisen und versuchte vergebens Ruhe in die Klsse zu bekommen.
Die allgemeine Unruhe ließ sich nur sehr sehr langsam unterdrücken. Einige Zeit später saß die Klasse jedoch brav auf den Plätzen und lauschte gespannt den Worten ihrer Hexenlehrerin.

Der hohe Besuch saß in der hintersten Bank und wollte sich über den Stand der Klasse informieren.

Kassandra jedoch saß, wie immer unbeeindruckt von der Unruhe und den Worten der Lehrerin, dösend und träumend auf ihrem Stuhl und freute sich auf den Nachmittag. Heute wollte sie wieder über die Baumwipfel fliegen und ihren Flugstil verbessern.

Doch dies sollte sich schnell ändern.

Plötzlich riss die strenge Stimme der Lehrerin sie aus ihrer Traumwelt: " Kassandra, Kassandra komme bitte zum Pult und zeige uns wie Du ein Kaninchen aus dem Zylinder Zauberst."
Eine leichte Aufgabe, raunte die Klasse.
Kassandra erhob sich langsam von ihrem Stuhl. Wie oft hatte sie schon vor der Klasse gestanden und hatte das verflixte Kaninchen aus dem Zylinder gezaubert.
Gott sei dank, nur diese Zauberei, dachte sie. In den anderen Fällen hatte der Zauber immer funkioniert.

Alles stand bereit. Die strengen Augen von Frl. Hexita ruhten auf ihr und schienen sagen zu wollen: " Wenn Du es heute nicht schaffst, bekommst Du eine ganze Woche Nachmittagsschule".
Die ganze Klasse schaute auf sie und grinste vergnügt. Sie war es doch gewöhnt, daß alle Späße mit ihr machten und sie auslachten. Doch wer saß dort hinten in der letzten Bank und schaute sie prüfend an. Erst jetzt wurde es ihr bewußt, daß der berühmte Professor der Magie, der Mann, der in jeder Hexen- und Magierzeitung stand und auch zum Vorstand aller Hexenschulen im ganzen Land gehörte, ihr bei dieser " schweren" magischen Aufgabe zusah.
Mit Schweißperlen auf der Stirn, stand sie nun am Pult, schluckte schwer, hielt ihren Zauberstab über den Zylinder und murmelte leise "Abracadabra, Kaninchen aus dem Hut".
Doch nichts geschah, kein weißes Kaninchen erschien. Verflixt, wie hieß diese Formel nur und hätte ich doch nur meine Hausaufgaben besser gemacht.
Noch ein Versuch: "Abracadabra, Kaninchen aus dem Hut" . Kein Kaninchen erschien; doch was war das. Ein lautes Quaken ertönte aus dem Inneren des Zylinders und im gleichen Moment hüpfte eine riesige Kröte auf das Pult und verschwand hinter dem Schrank. Alle kicherten, auch der Professor grinste; nur Frl. Hexita strafte sie mit bösen Blicken und Kassandra wußte, was sie in dieser Woche wohl nachmittags zu taun hatte- Nachmittagsschule-.
Ade schöne Flugstunden auf dem Besen.

Ich werde es schaffen sagte sie sich und immer wieder versuchte sie, mit neuen Hexenformeln, den Hasen erscheinen zu lassen. Er klappte einfach nicht. Die verflixte Formel fiel ihr nicht ein. Vielleicht war ja auch nur der Zauberstab kaputt. Zum guten Schluß erschien das Kaninchen doch noch. Nicht im Hut, sondern auf der Zimmerlampe und der Zylinder war letztendlich auf dem Kopf von Frl. Hexita gelandet.
Die ganze Klasse wälzte sich vor lauter Lachen auf dem Boden und selbst der Professor hielt sich vor lauter Lachen den Bauch. Frl. Hexenlehrerin war jedoch sehr wütend über diese mißglückten Zauberversuche und wollte Kassandra des Klassenzimmers verweisen.

Die kleine Hexe stand vor dem Pult und vergoß kleine Tränen. Sie drehte sich um, schnappte sich im Besenschrank ihren Flugbesen und flog zu ihrer Hexenmutter Cyssendra nach Hause. Zum ersten Mal in ihrem jungen Leben bedauerte sie etwas ihre Faulheit. Zu Hause angekommen, erzählte sie alles ihrer Hexenmutter. Doch statt Trost zu finden, bekam sie dort auch noch eine Strafpredigt über Faulheit zu hören. Hausarrest wurde über sie verhängt, doch der war nicht das Schlimmste, weil sie immer wieder Wege fand, diese zu umgehen. Das schlimmste Verbot jedoch, das ihre Mutter verhängen konnte war dieses, das Kassandra nicht zur Walpurgisnacht am 30. April am Blocksberg gehen durfte. Ihre Mutter wollte direkt ihre Oma anrufen damit diese in dieser Nacht auf die kleine Hexe aufpassen sollte. Selbst die Walpurgisnacht im nächsten Jahr wollte ihre Mutter ihr verbieten, falls sich ihre Leistungen in der Schule nicht bessern sollten.

Gesagt und getan, die Tür fiel ins Schloß und der Schlüssel wurde herumgedreht. Kassandra saß alleine in ihrem Zimmer und weinte bitterlich, wobei sie an die schönen Walpurgisnächte der vergangenen Jahre dachte.
sie wurde immer trauriger.
Sie hatte sich entschlossen, sich eine neue Heimat zu suchen. Irgendeinen Ort, an dem es keine Schulen gab, keine bösen Hexenmuttis, an dem man sie verstehen würde.

Kaum war der Gedanke gefaßt, schon war das Zimmerfenster geöffnet und Kassandra flog auf ihrem Ersatzbesen, den sie sich für evtl. Notfälle wie diesem, in ihrem Zimmer versteckt hatte, durch die Lüfte; ihre Heimat hinter sich lassend und hoch über den Baumwipfeln,

So flog sie immer weiter weg und bald schon stieg die Abendröte am Himmel empor. Langsam aber sicher wurde es dunkle Nacht und die kleine Hexe bekam Angst.
Ganz alleine in der Fremde.
Die Dunkelheit wurd immer dichter und Kassandra wollte landen, um sich um einen Schlafplatz zu kümmern. So lief sie durch den fremden Wald und mit jedem Schritt den sie tat, stieg die Angst in ihr hoch. Sie war todmüde, sehr hungrig, es war  kalt und sie vermißte ihre Mutter Cyssendra.
Weit entfernt von ihrem Landeplatz, sah sie plötzlich eine kleine  Hütte, in der noch Licht brannte. Die kleine Hexe lief darauf zu und klopfte, zitternd vor lauter Angst, an die Tür. Sie wurde geöffnet und vor ihr stand ein alter Mann mit gütigen Augen und einem langen weißen Bart, der sie lieb, nett und fragend anschaute.
Als sie diese kleine Hütte betrat, sühlte sich Kassandra direkt sehr wohl und behütet und alle Angst war von ihr abgefallen.
Dort bekam sie zu Essen, zu Trinken und schlief todmüde ein.

Am anderen Morgen, wachte Kassandra  auf und erfuhr bei einem richtig guten Hexenfrühstück, das dieser Mann Marxim, ein großer Magier war, der sich im Ruhestand befand.
Die ganze Hütte war gefüllt mit Fläschen, Gläschen, Töpfen mit Tinkturen und in der Mitte des Raumes stand der rieseige Hexenkessel aus dem es brodelte. Allerdings heute morgen nur das Frühstück. Marxim konnte das Zaubern jedoch auch im Ruhestand nicht lassen.

Neugierig schaute sich Kassandra um und schnell hatte sie Vertrauen zu diesem Mann gefaßt.

Die kleine Hexe erzählte Marxim nach einigen Tagen von ihrer Faulheit in der Schule und diesem mißlungenen Zauberversuch bei dem hohen Besuch in der Schule.
Dabei dachte sie an die bösen Blicke von Frl. Hexita, an das laute Lachen der ganzen Klasse und an das Verbot ihrer Mutter und wieder liefen dicke Tränen ihre Wangen herunter. Der alte Magier hörte ihr nachdenklich zu, nahm sie behutsam in den Arm und tröstete sie. Gleichzeitig machte er Kassandra einen Vorschlag. Er sagte zu ihr: "Höre zu kleine Hexe, eigentlich habe ich mich im Wesentlichen zur Ruhe gesetzt mit dem Zaubern, aber heute werde ich bei Dir eine Ausnahme machen. Wir haben noch einen Monat bis zur Walpurgisnacht. Bis dahin werde ich Dir alles beibringen, was eine kleine Hexe wie Du im Leben braucht. Selbst Deinen mißlungenen Zaubertrick mit dem Kaninchen wirst Du dann ganz leicht nachmachen können. Was hälst Du davon?".
Kassandra hörte nachdenklich zu und vor lauter Freude und Glück, umarmte sie diesen lieben und netten Magier.
"Zuvor müsen wir jedoch Deine Mutter informieren, das Du bei mir bist und das es Dir gutgeht und sollte sie nichts dagegen haben, daß ich Dir Nachhilfestunden gebe, ist es beschlossene Sache".

Cyssendra, Kassandras Mutter hatte nichts gegen diesen Vorschlag und freute sich über die Nachricht von Marxim, das es ihrem Hexenkind gut ginge. Sie hatte Kassandra schecklich vermißt und sich große sorgen gemacht.

Gesagt und getan, Marxim fing am gleichen Tage an, Kassandra  Unterricht im Zaubern zu erteilen. Die kleine Hexe hörte neugierig zu und nach einiger Zeit wurde aus der faulen und unfähigen Kassandra eine Musterhexe. Alles machte ihr Spaß, selbst die magischen Formeln fielenihr, unter der Anleitung des alten Magiers leicht.

Die Tage vergingen und die Walpurgisnacht rückte näher.

Zwei Tage vor dem 30. April sprach Marxim zu Kassandra:" Höre mir zu Kassandra. Aus Die ist eine richtige kleine gute Hexe geworden. Du warst recht fleißig in der letzten Zeit und ich bin sehr stolz auf Dich. Heute werden wir gemeinsam zurück zu Deiner Mutter fliegen und ich werde mit ihre sprechen, damit Du, aufgrund Deines Fleißes, doch noch an der Feier der Waplurgisnacht teilnehmen kannst".
Kassandra wurde traurig, denn die mußte diesen netten, lieben und gütigen Magier verlassen, den sie in ihr Herz geschlossen hatte. Doch freute sie sich auch, ihre Mutter wiederzusehen.

Nach einem gemeinsamen und rasanten Flug erreichten sie die Hütte, am Rande des Blocksberges. Dort war die freude groß. Tränen voller Freude und Glück wurden vergossen und Entschuldigungen ausgetauscht.
Aller Groll und all die Trauer war vergessen.
Marxim wurde freundich augenommen und flog nach einem schönen gemeinsamen Nachmittag zurück zu seiner kleinen Hütte, wo er noch lange die Anwesenheit von Kassandra vermißte, die er sehr lieb gewonnen hatte.

Am anderen Tag ging Kassandra wieder zur Schule und alle staunten, wie fleißig und lernbegierig die ehemals faule kleine Hexe geworden war. Keiner konnte seit diesem Tag besser Hexenformeln aufsagen oder besser zaubern. Die Nachmittagsschule fiel nun für immer für Kassandra aus und ihre Hexenlehrerin Frl. Hexita, war sehr zufrieden mit der nun fleißigen Hexenschülerin.

Das schönste an dieser Geschichte war jedoch für Kassandra, das sie zusammen mit ihrer Hexenoma, mit ihrer Hexenmutter, dem alten Magier Marxim und vielen, vielen anderen Hexen und Hexenkindern, die Walpurgisnacht am 30. April mitfeiern durfte.
Es wurde die schönste Walpurgisnacht, die sie ihn ihrem Leben feierte und sie erinnerte sich ein Leben lang daran, weil diese Zeit ihr Leben positiv verändert hatte.

Marxim jedoch blieb ihr bester Freund und Lehrer und immer wenn sie Zeit hatte, oder traurig war, besuchte sie ihn und beide blieben viele Hexen- und Magierjahre, gute Freunde.

Das Haus von Kassandra und ihrer Mutter Cyssendra wurde im Lauf der Zeit zur zweiten Heimat von Marxim.
Kassandra dachte immer wieder, wenn sie Kummer hatte daran das sie einen guten Freund hatte, der ihr immer, wenn er helfen konnte, half.

Denn gute Freunde braucht man im Leben.



Geschrieben von Anja Munch



Tawern, 02.03.1995


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