5. Das Tal der Rosen
Im Tal der Rosen lebte der
Gärtner Tschirmin. Wenn jener morgens seinen Garten betrat, wurden
seine weißen Rosen rot und wenn eine seiner Rosen welkte, so
weinte er, denn er hütet sie mehr als einen seiner Augäpfel.
Vor langer Zeit hatte er eine Frau gehabt, von unbeschreibbarer
Schönheit, schöner als ein Stern am Himmel, schöner als
der Morgentau auf den Blättern. Wie herrlich das Leben gewesen
war. Der Gärtner träumte vor sich hin. Erhatte sie am
nahegelegenen See kennen gelernt. Vögel flogen duch die Luft, ihr
Zwitschern mischte sich in das Säuseln des Wassers. Sie stand
plötzlich da, geboren im Augenblick, in der Schönheit des
Seins. Ihre Haare waren rot und gleich Flammen hüllten sie ihren
Körper ein. Ihre nackten Füße tanzten und ihr Lachen
schien die Freude des Lebens zu symbolisieren. Sie lebte die Zeitspanne
einer Rose. Kurze, kaum zählbare Stunden von unschätzbaren
Wert. Als die Zeit des Sterbens gekommen war, legte sie ihre Hand in
die Hand des Gärtners und, als jener seine Augen zu ihr richten
wollte, war sie gestorben. Danach war der Garten übersäht mit
weißen Rosen. Er ging in den Garten und als er jene Rosen fragend
ansah, wurden sie rot, so rot wie das Blut seines Herzens, das zu
brechen schien. Seitdem hatte er die Rosen gepflegt, erfreute sich
ihrer Schönheit und gedachte sie voller Sorgfalt. Da hörte
der Gärtner den Flügelschlag des Raben. Shaddan landete auf
der Schulter des Mannes. Flehend beschwor er ihn, ihm eine seiner Rosen
zu schenken, versprach ihm Schätze. Doch der Gärtner
ließ sich weder durch Bitten, noch durch Drängen erweichen.
Da ergriff der Rabe den Mann, hob ihn in die Lüfte, stieg mit ihm
so hoch, dass seine Flügel die Wolken berührten. Noch einmal
fragte er Tschirmin, doch jener zeigte sich unerbittlich. Da ließ
der Rabe ihn los. Groß war die trauer der Rosen, so groß
das ihre Kelche silberne Tränen vergossen. Doch als Shaddan eine
von ihnen pflücken wollte, erbleichten sie in der Ahnung des
Bösen. Da wusste der Rabe, dass er auch diese Mittel niemals
erlangen konnte.
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