Ein Wichtelmännchen unfreiwillig auf
Reisen
Teil 1
In einem großen Wald, weit weg von hier, wohnte eimal ein
kleines Wichtelmännchen. In diesem Wald standen wunderschöne
alte, große und gesunde Tannen, viele Fichten, Lärchen und
viele, viele verschiedene Arten von Laubbäumen. Nicht weit von der
Heimattanne des Wichtelmännchens, floß ein glasklares
Bächlein. In diesem wohnten viele verschiedene Tiere und Tierchen.
Manche so klein, das man sie mit bloßem Auge kaum sehen konnte.
Außerdem wohnten sehr viele Waldtiere dort wie Rehe, Füchse,
verschieden Vogelarten, Eichhörnchen, Kriechtiere, Hasen und viele
mehr. Alle waren fröhlich und fühlten sich hier in frischer
Luft und frei wie der Wind, pudelwohl.
Das Wichtelmännchen war lustig anzusehen, es war nur handbreit
groß, hatte eine riesige, lustige Mütze auf, trug rote
spitze Stiefelchen, einen riesengroßen Gürtel mit einer
goldenen Schnalle und in seinem Gesicht prangte eine riesengroße
Nase. Es war ein lustiger Geselle und wohnte inmitten dieses
schönen Waldes, in einer großen Tanne, hoch oben, fast
im Wipfel, in einem Loch im Baumstamm. Von dieser Stelle aus konnte man
fast den ganzen Wald überblicken und wenn man Phantasie hatte auch
bis hinein in die Wolken sehen.
Die Tiere des Waldes kannten den lustigen Gesellen, der immer sofort da
war, wenn eines der Tiere in Nöten war. Er besaß magische
Kräfte, die fast alle Krankheiten heilen konnten. Er brauchte nur
3 mal kräftig die lange Nase zu reiben, sich einmal um seine
eigene Achse zu drehen und mit seinen lustigen roten Stiefelchen
aneinander zu klopfen und schon war die gebrochene Pfote des Hasen
geheilt, die Zahnschmerzen des Rehkitzes wie weggeblasen, der Schwanz
des Rotfuchses, der diesen beim Hühnerklauen am Zaun gequetscht
hatte, wieder gesund, und der gebrochene Flügel der Eule wieder
geheilt.
Sollten seine magischen Kräfte nicht ausreichen, für jede
andere Krankheit wie Husten, Schnupfen usw. kannte dieser lustige
Geselle auch ein Waldkraut oder eine Wurzel des Waldes. Daraus wurden
Tees, Salben oder Umschläge gefertigt und schon war die Krankheit
vergessen.
Überall wurde diese Wichtelmännchennur " Naselang" genannt.
Es ging abends immer sehr früh zu Bett, stand aber immer vor den
Vögeln auf und wanderte im Morgenrot durch seinen geliebten Wald.
Er trank vom Morgentau, wenn er Durst hatte, pflückte
Preiselbeeren, wilde Walderdbeeren, wilde Brombeeren oder trank vom
Nektar der vielen, vielen Wald- und Wiesenpflanzen. Ab und zu brachte
ihm ein Eichhörnchen ein paar Nüsse. Auch Wald- und
Wiesenwurzeln standen auf seinem Speiseplan, die er auch als
Essensvorrat für den Winter frühzeitig sammelte. Selbst die
Bienchen kannten " Naselang" und immer wenn er an ihrem Bienenstock
vorbeikam, durfte er vom kostbaren, süßen und schmackhaften
Honig naschen.
Er schlenderte zufrieden durch seinen geliebten Wald, hatte immer ein
lustiges Wort auf den Lippen, half wo Hilfe nötig war und
trällerte lustige Liedchen.
Kurz bevor er zu Bett ging, saß er auf seinem Tannenast, atmete
die saubere klare Luft ein hörte dem Zwitschern der
Vögel, den Abendkonzerten der Frösche und Grillen zu und
genoß das Plätschern und Glucksen des naheliegenden Baches.
Gleichzeitig schlürfte er ein Gläschen seines
selbstgemachten Preiselbeerweines und rauchte eine schöne kleine
Pfeife. Danach legte er sich ins Bett und freute sich auf seinen
nächsten Tag.
Seit einiger Zeit jedoch war die Ruhe im Wald gestört. Da waren
diese zweibeinigen Riesen, Menschen, genannt. Sie waren unterwegs
lärmten, holzten den Wald ab und stahlen somit den Tieren den
Lebensraum, den sie brauchten um weiterzuleben. Sie zertrampelten viele
unberührte Fleckchen des Waldes, rupften seltene Blumen und
raubten das Holz der Bäume.
Bis jetzt machte sich unser Wichtelmännchen " Naselang"
keine Sorgen über seine Heimat, denn das Gekreische der
Kettensägen und das Ächsen der viele jahrealten Bäume,
hörte man nur von weiter, weiter Ferne. Er selbst hatte noch keine
zweibeinigen Riesen gesehen, lebte zwar im Ungewissen, aber immer noch
so weiter wie bisher.
Eines Tages spürte " Naselang" eine schwere Erkältung in
seinem Körper und braute zur Heilung dieses Zustandes aus vielen,
vielen Waldkräutern einen Schlaf- und Gesundheitstrunk zusammen,
der heilen sollte. Schlaf soll ja bekanntlich alle Krankheiten heilen,
dachte er und was bei den Tieren hilft, kann mir nicht schaden.
Somit setzte er sich abends auf seinen Tannenast, hörte den
vielen Konzerten der Tiere zu, trank sein Glas Preiselbeerwein, rauchte
sein Abendpfeifchen und zum guten Schluß trank er seinen
Schlaftrunk. Danach wird meine Erkältung wohl geheilt sein dachte
er und fiel in einen tiefen, tiefen Schlaf, viele Tage lang.
Im Tiefschlaf bemerkte er nicht, das die zweibeinigen Riesen immer
näher kamen und begannen auch seine Heimat anzuholzen. Seine
Heimmattanne wurde ebenfalls nicht verschont und fiel diesen Kreaturen
zum Opfer.
Schrecklich kreischend bohrten sich die Sägeblätter immer
tiefer in die Tanne und mit einem lauten, ächzenden Geräusch
krachte der schöne, alte und große Baum auf die Erde. "
Naselang" schlief immer noch und schlief. Selbst als der Baum zusammen
mit vielen anderen Bäumen auf LKW´s geladen und weit, weit
weggebracht wurde, wachte er nicht auf. Er hörte nicht die lauten
Stimmen der Menschen, keine Kettensägen und keine
Motorengeräusche.
Die Tiere des Waldes standen verschreckt und hilflos hinter den
Büschen. Sie wußten das " Naselang" noch in seiner Tanne
schlief, aber sie konnten doch nichts tun. Sie waren nur Tiere und die
Menschen waren so böse, hatten Gewehre und taten ihnen weh.
Was geschah nur mit diesem lustigen Gesellen, wie konnten sie ihm
helfen?
Jetzt war es zu spät. Die Tanne war umgesägt, lag nun auf
einem LKW und wurde weit weg gefahren.
Nie wieder würden sie das Wichtelmännchen sehen.
Mittlerweile waren die Holzstämme bei einer großen
Sägemühle, weit entfernt, abgeladen und sollten bald
weiterverarbeitet werden.
Die Tiere des Waldes trauerten um den kleinen lustigen und
hilfsbereiten Gesellen. Der Wald war verwüstet, es wa dort
unglaublich still geworden und es fanden keine Tierkonzerte mehr statt,
da die Tiere sich andere Lebensräume suchen mußten.
Ab und an flogen Vögel über die kahlen Stellen des Waldes, wo
einmal stolze Bäume gestanden hatten.
Der kleine Wichtel wachte endlich nach einer ganz langenSchlafenszeit
in seiner Tanne auf. Die Erkältung war wie weggeblasen.